My FRAME Magazine Juror Membership – Aktuelle Trends in Architektur und Design

Was zeichnet ein gutes Projekt aus?
Wie steht es um die Nachhaltigkeit bei Projekten?
Was sind aktuelle Trends in Architektur und Design?

Diesen Fragen möchte ich gern in diesem Beitrag nachgehen und aus meiner persönlichen Perspektive beleuchten. Ich habe für das renommierte FRAME Magazine im Monat Mai ca. 120 internationale Projekteinreichungen studiert, bewertet und mit Unterstützung von Co-Juroren unterschiedlichster Nationalitäten unter allen Einreichungen die besten fünf Projekte ausgewählt. Eingereicht waren Architekturprojekte unterschiedlichster Arten und Größenordnungen, vom kleinen Café bis hin zum renommierten Kulturbau, Interior Design Projekte sowie Industriedesigns von Bauprodukt- und Möbelinnovationen.

Was sind die Erkenntnisse aus der Zusammenarbeit mit einer internationalen Jury?

Schon nach der Bewertung der ersten 20 Projekte durch die Jury im Verlauf der ersten Tage zeigte sich ein interessanter Umstand. Um unabhängig von Einflüssen anderer Jury-Mitglieder zu sein, bewertete ich die Projekte möglichst direkt nach deren Neueinstellung durch die Redaktion ohne Sicht auf möglicherweise bereits vorhandene Bewertungen und dokumentierte meine Ergebnisse in einer separaten Datei. Durchaus entgegen meiner ersten Erwartung stellte ich nach der Sichtung auf die Bewertungen anderer Juroren fest, dass jeweils der Großteil der Jury, die sich aus einer internationalen Gruppe von Architektur- und Designexperten zusammensetzte, zu sehr ähnlichen Projekteinschätzungen gekommen war. Nun gibt es hierfür grundsätzlich zwei Erklärungsansätze: Entweder sind Bauschaffende in allen Ländern heute dank des Internets und internationaler Architektur- und Designplattformen wie FRAME so umfassend informiert, dass sich Bewertungsgrundsätze für gutes Design weitestgehend angenähert haben, oder es gibt etwas Universelles, das gute Projekte auszeichnet. Ich persönlich denke, dass beide Annahmen zutreffen. Dies ist zweifellos eine sehr wertvolle und Mut machende Erkenntnis in diesen politisch und wirtschaftlich sehr aufwühlenden Zeiten, in denen medial fortlaufend Differenzen thematisiert werden. Aber solcherlei grundlegenden Gemeinsamkeiten gehen in der Hektik internationaler Krisen leider viel zu oft unter. Es gibt demnach in unserer globalisierten Welt zumindest in der Disziplin Architektur und Design viele Gemeinsamkeiten und große Überschneidungen in der Art, wie wir auf diesem Planeten arbeiten und leben wollen. Die Qualität und Attraktivität eines Projektes stach auch mir unabhängig vom Kulturraum der Entstehung sofort ins Auge. Die Güte der Architektur darf aber nicht mit einem Uniformismus in Sachen Design verwechselt werden. Im Gegenteil: Gute Projekte folgten einem glaubwürdigen lokalen Kontext, in dem sie entstanden sind.

Was ist es also, was ein gutes Projekt auszeichnet?

Um es direkt vorweg zu nehmen: Das Wichtigste ist eine stringente Idee, die es vom Konzept bis in die Realisierung ohne größere Reibungsverluste geschafft hat. Sozusagen wie ein Kieselstein, der es den ganzen Fluss hinunter vom Gebirgsursprung bis zur Flussmündung geschafft hat, ohne sich dabei sämtliche Ecken und Kanten abzuschleifen. Also fast ein Ding der Unmöglichkeit. Wie kann man dieses Ergebnis in einem Projekt erreichen? Um bei der Analogie zu bleiben: Natürlich am einfachsten, wenn der Flusslauf von Quelle bis Mündung sehr kurz ist. Kleinere Projekte mit überschaubaren Budgets und offenen Auftraggebern bringen das mit sich. Hier muss man sich stark fokussieren. Nun könnte man sagen, große komplexe Projekte seien daher strukturell im Nachteil. Da ist es eben so, dass eine große Idee nicht so im Vordergrund stehen kann. Aber sollten wir nicht auch hier unser Handeln und Entscheiden wieder viel mehr an menschlichen Maßstäben und Parametern ausrichten? Bei großen Projekten zählt ebenfalls die Idee, nur ist diese viel schwerer umzusetzen, da es komplexere Anforderungen zu meistern gilt. Aber das sollte uns doch ein Ansporn sein. Eine interessante Idee ins Ziel zu bringen und nicht in endlosen Schleifen soweit abzurunden, dass am Ende kaum mehr etwas übrig bleibt, was das Projekt auszeichnet und besonders macht. Bei den eingereichten Projekten gab es durchaus einige Bespiele, bei denen das eindrucksvoll gelungen ist. Ein weiterer Lösungsweg besteht darin, dass man ein großes Projekt in mehrere kleinere, besser begreifbare, Einheiten teilt. Natürlich ist es für jedes Projekt oder ein Produktdesign imminent wichtig, dass es eine hohe Funktionalität aufweist. Diese Eigenschaft zu bewerten fiel uns als Jury ohne den Bezug zum physischen Projekt oder Produkt allerdings zugegebener­maßen sehr schwer.

Und wie steht es mit der Nachhaltigkeit?

Sind wir schon auf dem guten Weg der Erreichung des 2 Grad Ziels im Jahr 2050, welches die die Klimaneutralität des dann existierenden Gebäudebestands erfordert? Man muss schon aus Gründen der notwendigen Effizienz im Umgang mit Rohstoffen bei Bauprojekten davon ausgehen, dass Gebäude, die heute gebaut werden, im Jahr 2050 noch werden stehen müssen. Dieser Realität scheinen sich die Bauherren und Planer allerdings oftmals noch nicht wirklich zu stellen, zumindest wenn man nach dem kleinen Ausschnitt der Projekte urteilt, über die wir zu befinden hatten. Zu wenige Projekte haben uns als Jury hier überzeugen können. Es ist mit der Nachhaltigkeit eben auch keine einfache Sache. In der Komplexität für sich als auch im Zusammenspiel mit bereits bestehenden Anforderungen an Funktionalität und Design stellt die Erzielung eines nachhaltigen Ergebnisses die größte Herausforderung dar, die wir als Bauschaffende in der jüngeren Vergangenheit zu meistern hatten. Mittels moderner computergestützter Planungsmethodiken ist dies allerdings grundsätzlich auch eine machbare Herausforderung. Aber: Wann hat der Mensch je in seiner Geschichte nicht einfach die Ressourcen genommen, derer er mit seinen technischen und finanziellen Möglichkeiten habhaft werden konnte? Diese Frage müssen wir uns immer wieder stellen. Wir sind mit den optimalen Weichenstellungen für nachhaltige Projekte immer noch zu langsam, zu träge. Einige Projekte waren hier bereits sehr vorbildhaft und konnten uns als Jury überzeugen.

Aktuelle Trends

Nun kommen wir zu den Trends – ein Aspekt, der wohl die meisten Leserinnen und Leser interessieren wird, weil man versucht auf der Höhe der Zeit zu sein, wenn es um die eigenen Projekte geht. Gibt es etwas, dass man aus dem vertieften Studieren der Projekte herauslesen kann? Sozusagen der Kaffeesatz des gegenwärtigen Designs? Ich möchte gern meine Erkenntnisse dazu über die folgenden Thesen herausstellen:

Gute Projekte sind authentisch.

Viel Idee, wenig Ressource. So könnte man es vielleicht auf den Punkt bringen. Nachhaltig als auch einfach zu begreifen. Nicht umsonst ist in unserer Mai-Übersicht mit dem Jabakei Tunnel Hotel eines der einfachsten und zugleich nachhaltigsten Projekte mit dem ersten Platz prämiert worden.

Gute Projekte sind nachhaltig.

Gute Projekte sind strukturell und integriert nachhaltig. Wahre Nachhaltigkeit kann nicht erst am Ende der Planung als zusätzliche Aufgabe definiert und oberflächlich gelöst werden, sondern definiert die gesamte Herangehensweise an die Planung.

Gute Projekte zeichnen sich durch einen hohen Fokus auf Materialität und ein stringentes Farbkonzept aus.

Wertigere, nachhaltigere und später sortenrein trennbare Materialien machen ein Projekt besser. Zudem gewinnt Materialität zum Wohle der Baukultur auch bei der Fassadengestaltung von Gebäuden wieder mehr Raum. Ein gutes Beispiel hierfür liefert das prämierte Projekt TIC Art Center von Domani Architectural Concepts. Der Einsatz von Farbe ist dabei immer ein heikles Thema. Zu wenig, zu ängstlich, und es wird schnell fade. Zu viel und das Projekt kippt schnell ins Gewöhnliche. Gute Projekte weisen grundsätzlich einen sehr konsequenten und mutigen Umgang mit Farbe und Material auf.

Technik um der Wirkung von Technologie wegen einzusetzen schlägt fehl.

In Projekten zählt die Einfachheit. Technologie soll funktionieren und uns das Leben vereinfachen. Projekte, in denen Technik zur Schau gestellt wird, um Fortschrittlichkeit zu dokumentieren, sind endgültig passé. Zum Glück für alle Nutzer würde ich an dieser Stelle einmal kommentieren!

Die Idee zählt.

Die stringente Idee schlägt nahezu alles. Sozusagen wie die Dame beim Schachspiel. Ohne sie geht kaum etwas, das Spiel ist kaum zu gewinnen. Tolle Projekte mit stringenten Konzepten waren z.B. das Birdie Cup Coffee Shop von F.O.G. Architecture und die Chamber Church von Ziyu Zhuang Architects.

Hier geht es zu den prämierten Projekten zum weiteren Studieren.

Written by: Andre Flinterhoff